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Staat und Staatlichkeit im globalen Süden


Staat bzw. Staatlichkeit in Ländern des Südens tritt oft in Formen in Erscheinung, die mit den Kategorien der politikwissenschaftlichen Staatstheorie alleine schwer zu erfassen sind. In manchen Ländern sind wir konfrontiert mit einem aktiven bürokratischen Apparat, der als Entwicklungsstaat weite Teile der Wirtschaft, der Arbeitsverhältnisse und der gesellschaftlichen Reproduktion steuert. In anderen Regionen erscheinen die Staatsapparate in dem Sinn dysfunktional bzw. inexistent, dass der Staat weder ein Gewaltmonopol innerhalb bestimmter Grenzen durchsetzen noch basale Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge bereitstellen kann.

Staatstheoretische Literatur bewegt sich bezüglich der Frage, wie diese Unterscheide analysiert werden können, in einem Spannungsfeld: Unterschiede erscheinen entweder als qualitativ andere Formen von Staatlichkeit, die auf strukturelle Abhängigkeiten und auf von diesen Abhängigkeiten bedingte unterschiedliche Entwicklungspfade zurückzuführen sind. Weitere Erklärungsansätze führen unterschiedliche staatliche Strukturen und Funktionsweisen auf regionalspezifische, kulturspezifische Unterschiede zurück. Dieser Sicht stehen Analysen gegenüber, die Staatlichkeit in Ländern des Südens als graduell unterschiedliche Ausprägungen universeller Formen sehen. Ihr Augenmerk richtet sich auf durch Kolonialismus und Globalisierung weltweit verbreitete Institutionen, bzw. sie erkennen in Globalisierungsprozessen eine Transformation von Staatlichkeit, die zu einer Harmonisierung von Staatsformen in beiden Hemisphären führt.

Im Sinne des inter- und transdisziplinären Forschungsansatzes des Instituts für Entwicklungsforschung nähert sich die Forschungsgruppe dem Phänomen von Staat aus verschiedenen disziplinären Blickwinkeln: Ausganspunkt ist die Perspektive kritischer Staatstheorie, die den Staat als soziales Verhältnis betrachtet. Weiters berücksichtigt die Gruppe die Perspektive kritischer Raumtheorie, die die Transformation von Staaten unter Globalisierungsbedingungen als Re-Skalierung von Staat und Herrschaft begreift und darüber an Konzepte von Staatlichkeit der Weltsystemtheorie und Dependenz-Theorie anschließen kann. Eine dritte Perspektive adressiert die Frage nach kulturell unterschiedlichen / kulturspezifischen Formen von Staatlichkeit, deren Kontinuität und Reproduktion über Modernisierungs- und Globalisierungsprozesse hinweg z.B. mit dem kulturwissenschaftlichen Konzept der Transkontinuität erfasst werden kann.

Ziel der Forschungsgruppe ist es, ein Forschungsprogramm zu entwickeln, das ausgehend von konkreten Befunden und Problemen der Entwicklungsforschung die verschiedenen theoretischen Perspektiven und disziplinären Herangehensweisen in systematischer Weise zusammenführt.

⇒ Samstag, 29. Oktober 2011, Seminarraum 1 (11:30-13:00)
⇒ Kontakt: Wolfram Schaffar

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